Unterrichtsausfall an Berliner Schulen |
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Offizielle Statistik
Im Schuljahr 2012/13 gab es laut Senatsschulverwaltung einen „Vertretungsanfall“ von 10,7 Prozent der erteilten
Unterrichtsstunden [1].
Davon wurden 8,6 Prozent (ca. 1.716.000 Stunden) vertreten und 2,1 Prozent (ca. 420.000 Stunden)
fielen komplett aus. Damit finden nur 89,3 Prozent des Unterrichts an den Berliner Schulen planmäßig statt.
Verteilung der wöchentlichen Unterrichtsstunden:
Quelle: Senatsbildungsverwaltung, Blickpunkt Schule 2014/15, S. 21
[1]
Die dargestellten Tatsachen sind konstant über die vergangenen Jahre zu beobachten:
Anfall, Vertretung und Ausfall
Quelle: Senatsbildungsverwaltung, Blickpunkt Schule 2014/15, S. 21
[1]
Organisation Vertretungsunterricht 2010-2014
Bildet Berlin! hat eine eigene Statistik zum Vertretungsunterricht auf Grundlage einer um-fangreichen Datensammlung erhoben:
Zusammenstellung: Bildet Berlin! Die Durchschnittswerte basieren auf Angaben der Senatsbildungsverwaltung für die
Schuljahre 2010/2011 bis 2013/2014 aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck
(SPD) vom 10. Dezember 2014 zugrunde, die Angaben zu im Rahmen der Personalkostenbudgetierung erteiltem Unterricht basieren
auf Angaben für die Kalenderjahre 2011 bis 2014. Angaben zum insgesamt zu erteilenden Un-terricht sind den jeweiligen
Ausgaben von „Blickpunkt Schule“ für die Schuljahre 2010/2011 bis 2012/2013 entnommen. Detaillierte Quellenangaben unten.
Die Berechnungen können unter folgendem Link abgerufen und nachvollzogen werden:
http://bildet-berlin.de/docs/OrganisationVertretungsunterricht2010-2014.xls
Vertretungsanfall und Unterrichtsausfall:
In Berlin finden jedes Jahr 2 Millionen Unterrichtsstunden nicht regulär statt. Dies entspricht 10,8% des insgesamt zu
erteilenden Unterrichts. Bei einem Schuljahr mit 38 Wochen kann folglich von 19 Schultagen oder auch 4 Schulwochen
ausgegangen werden, die nicht planmäßig erteilt werden. Von diesem Vertretungsanfall werden gut 400.000 Stunden nicht
erteilt – sie fallen aus. Dies entspricht 2,1% des insgesamt zu erteilenden Unterrichts und macht somit 20% des
Vertretungsanfalls aus.
Vertretungsanfall und Vertretungsunterricht:
Als Vertretungsunterricht weist die Senatsbildungsverwaltung 8,6% des insgesamt zu erteilenden Unterrichts aus, also ca.
1,6 Millionen Unterrichtstunden. Dies entspricht 80% des Vertretungsanfalls und erscheint zunächst relativ erfolgreich.
Bei genauer Betrachtung fällt jedoch auf, dass in diesem Vertretungsunterricht in weiten Teilen entweder kein Unterricht
stattfindet oder der Vertretungsunterricht zulasten von notwendigem Förder- und Teilungsunterricht geht:
Infografik aus der Berliner Morgenpost vom 23.04.2015 (S. 9)
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Aufhebung von Teilung/Integration; Zusammenlegung von Klassen/Kursen:
Hierbei werden planmäßiger Teilungs- und Förderunterricht, sonderpädagogischer Förderunterricht oder
Sprachförderunterricht zusammengelegt, um Unterrichtsausfall zu vermeiden, die ursprünglich vorgesehene Förderung durch
Teilung findet nicht statt, sie fällt zugunsten der Durchführung von Vertretungsunterricht aus.
Kritik: Gerade in Zeiten des Umsetzens der Inklusion sind Teilung- sowie Fördergruppen und damit kleinere
Lerngruppen essentiell. Bei zusammengelegten Gruppen ist die notwendige individuelle Förderung kaum mehr möglich.
Vertretung heißt, die Aufgabe einer anderen Person ersatzweise zu übernehmen. Diese Form der „Vertretung“ löst die
notwendigen Kleingruppen sowie die Unterrichtsintention „Förderung“ auf.
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Tagaktuelle Änderungen im Stundenplan:
Hierbei fallen Unterrichtsstunden aus, weil die Lehrkraft zur Sicherung des Unterrichtes in einer anderen Klasse
eingesetzt wird. Oder aber ein für später am Tag vorgese-hener Unterricht wird vorgezogen, um eine Stunde zu vertreten.
Damit fällt die vertretende Stunde jedoch aus. Sie müsste eigentlich zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden, was
sich in der Praxis kaum realisieren lässt und nur in wenigen Aus-nahmen tatsächlich erfolgt.
Kritik: „Vertretung“ durch tagaktuelle Änderungen im Stundenplan führt in den allermeisten Fällen zu
Unterrichtsausfall, der in der Regel nicht nachgeholt wird. Entweder fällt der Unterricht der vertretenden
Lehrkraft aus oder es fällt der zu vertretene Unterricht aus, weil zu seiner Zeit anderer regulärer Unterricht
und somit kein Ersatz für die zu vertretende Stunde stattfindet.
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Sonstige Maßnahmen:
Unter diese sehr allgemein benannte Kategorie fällt unter anderem „Vertretung“ durch Stellen von eigenständig zu
bearbeitenden Aufgaben für Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe. Unterricht findet hier nicht statt,
denn die Lernenden erfahren keinerlei Betreuung bei der Bearbeitung der Aufgaben.
Kritik: Dieses Phänomen wird im Vertretungsplan als „Aufgaben erteilt“ ausgewiesen. Faktisch handelt es sich
dabei um Unterrichtsausfall, auch wenn laut Senatsverwal-tung hierbei kein Unterrichtausfall eintritt. Darüber hinaus
legen Berichte nahe, dass an vielen Schulen nicht einmal Aufgaben gestellt werden – wie soll auch eine erkrankte
Lehrkraft z. B. noch sinnvolle Aufgaben für ihre Lerngruppen erarbeiten und bereit-stellen? Die Markierung als
Vertretung durch „sonstige Maßnahmen“ dient offenbar in erster Linie dem Ziel, die Statistik zum Unterrichtsausfall
geringer zu halten, als es den Tatsachen entspricht.
Unterrichtsversorgung und Lehrkräfteausstattung
Unterrichtsversorgung 2014/15
Quelle: Senatsbildungsverwaltung, Blickpunkt Schule 2014/15, S. 20
[1]
Lehrkräfteausstattung
In den Berliner Schulen gibt es zurzeit lediglich eine Ausstattung mit Lehrkräften von 100,1 Prozent [1, S. 20].
Die bisher angestrebte Ausstattung von 100 Prozent wird geregelt durch die „Verwaltungsvorschriften für die Zumessung
von Lehrkräften an öffentlichen Berliner Schulen“ [2]:
A Grundsätze der Zumessung (...)
Die Zumessung für eine Schule kann aus bis zu fünf Komponenten bestehen:
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Zumessung nach der Stundentafel
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Zumessung für Teilungsstunden/Förderunterricht
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Zumessung für strukturelle Unterstützung
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Zumessung aus dem Dispositionspool
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Zumessung für Profile der Schulen
Die Zumessungen zu 1. bis 5. stellen den Bedarf einer Schule dar, der mit „100%-Bedarf“ bezeichnet wird.
Fazit
In Berlin werden in jedem Schuljahr 2.000.000 Unterrichtstunden nicht planmäßig erteilt, dies entspricht ca. 10% des
gesamt zu erteilenden Unterrichts bzw. vier Schulwochen. Bei 10 Jahren Schulbesuch findet damit Unterricht eines ganzen
Schuljahres nicht regulär statt!
Insgesamt fallen jährlich bis zu 800.000 Unterrichtsstunden ganz aus. Darüber hinaus finden fast 800.000 Stunden
Teilungsunterricht und Förderunterricht nicht statt, weil Klassen zusammengelegt werden.
Diese Situation ist inakzeptabel, sie verhindert, dass die Kinder in Berlin eine echte Chance auf gute Bildung haben.
Es bedarf einer gesetzlichen Regelung einer Unterrichtsgarantie durch eine
Vertretungsreserve in Höhe von 10% des Lehrkräftebedarfs an jeder Schule!
→ ausführliche Informationen zum Volksbegehren Unterrichtsgarantie herunterladen
→ Interview zum Volksbegehren auf Schwarmtaler hören
so funktioniert die Unterrichtsgarantie
Quellen:
[1] Blickpunkt Schule 2014/15 http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-bildung/bildungsstatistik/blickpunkt_schule_2014_15.pdf
[2] Verwaltungsvorschriften für die Zumessung von Lehrkräften an öffentlichen Berliner Schulen (Verwaltungsvorschrift Schule Nr. 10/2013) http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-bild-ung/schulorganisation/zumessungsrichtlinien_lehrkraefte_2013_14.pdf?start&ts=1372247790&file=zumessungsrichtlinien_lehrkraefte_2013_14.pdf