Fragen und Antworten


Der Verein Bildet Berlin! Initiative für Schulqualität e. V. hat ein Volksbegehren für eine Unterrichtsgarantie zur effektiven Vermeidung von Unterrichtsausfall gestartet. Das Volksbegehren fordert, eine ständige Vertretungsreserve in Höhe von 10% des regulären Lehrkräftebedarfs für die Erteilung von Unterricht an den Schulen vorzuhalten. Diese Forderung kann und sollte diskutiert werden! Im Folgenden stellen wir einige mögliche Gegenpositionen zum Volksbegehren und Antworten der Unterstützer des Volksbegehrens vor.

Andere Arbeitnehmer erledigen auch die Arbeit ausgefallener Kollegen in Überstunden
Eine Lehrkraft kann nicht die Aufgaben einer weiteren Lehrkraft zu einem anderen Zeitpunkt übernehmen. Der Unterricht findet nach Stundenplan statt und kann nicht flexibel an das Tagesende verschoben werden, minderjährige Schülerinnen und Schüler sind in jedem Fall zu beaufsichtigen. Damit ist die Unterrichtstätigkeit von Lehrkräften eher mit einer Arbeit am Fließband vergleichbar als mit der einer Sachbearbeitung, die Schritt für Schritt Akten abarbeitet. Ein Hersteller von PKW könnte mit einer Personalausstattung mit 100% nicht arbeiten, er riskiert enorme Kosten wenn die Produktion stockt. Ein Hersteller von PKW kann sich auch nicht leisten, sich bei Ausfall eines Mitarbeiters nach geeigneten Vertretungskräften umzusehen, sie müssen bereits kurzfristig bereit stehen und in die Abläufe an der Produktionslinie eingearbeitet sein. Ebenso verhält es sich mit Lehrkräften an einer Schule. Ein Flughafenbetreiber z. B. stellt Vertretungsreserven von über 20% bereit um einen ungestörten Betrieb sicherzustellen.

Die Schulen haben doch bereits Mittel zur Organisation von Vertretungsunterricht. Ja, aber diese reichen entweder nicht aus oder sind wie im Falle der Personalkostenbudgetierung meist nicht spontan genug einsetzbar, weil erst Vertretungslehrkräfte befristet angestellt werden müssen.
Lesen Sie hierzu unsere ausführliche Analyse der heutigen Organisation von Vertretungsunterricht!

Die rund 10% Vertretungsanfall sind ein Durchschnittswert. Wenn mal weniger Stunden vertreten werden müssen sitzen diese Lehrkräfte rum.
Die Initiatoren plädieren dafür, 10% mehr Lehrkräfte an den Schulen vorzuhalten. Das heißt nicht, dass ein Teil der Lehrkräfte voll unterrichten und die 10% zusätzlichen Lehrkräfte nur Vertretungsunterricht erteilen, sondern dass von der Unterrichtsverpflichtung jeder Lehrkraft grundsätzlich einige Stunden für die Organisation von Vertretungsunterricht reserviert werden. Minderstunden in Zeiten eines geringeren Vertretungsanfalls sind geeignet, Mehrbelastungen in Zeiten eines höheren Vertretungsanfalls zu kompensieren. In Zeiten geringeren Vertretungsanfalls können Lehrkräfte Aufgaben wahrnehmen, für deren Bearbeitung in Belastungssituation die Zeit fehlt. Dadurch wird insgesamt die zurzeit außerordentlich hohe Belastung von Lehrkräften gesenkt, was mittelfristig auch zu weniger stressbedingten Erkrankungen und damit einer bedeutenden Ursache für Vertretungsanfall führen wird.

Das kostet alles viel mehr: 10% mehr Lehrkräfte kosten 3.000 x 70.000€ = 210 Mio € im Jahr.
Die Annahme, man bräuchte 10% mehr Lehrkräfte als aktuell beschäftigt werden, ist für eine Kostenschätzung zu ungenau. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass von den 2013 beschäftigten 27.515 Lehrkräften 6.609 in Teilzeit arbeiten, also weniger als die angenommenen 70.000€ im Jahr kosten. Legt man die Arbeitgeberkosten für eine volle Stelle zugrunde, so ist der Bedarf in Vollzeitäquivalenten zu betrachten, einer Zahl, die angibt wieviel Lehrkräfte man bräuchte, wenn alle Lehrkräfte in Vollzeit arbeiten würden. Der Lehrkräftebedarf in Vollzeitäquivalente umgerechnet wird von der Senatsbildungsverwaltung mit 22.593 angegeben.
Darüber hinaus nehmen jedoch viele Lehrkräfte neben dem Erteilen von Unterricht zahlreiche weitere Aufgaben z. B. in der Leitung und Organisation von Schule oder in der Gestaltung von Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung war, weshalb sie nicht in vollem Umfang Unterricht erteilen.
Um die Kosten für die Bereitstellung einer Vertretungsreserve in Höhe von 10% des regulären Lehrkräftebedarfs für die Erteilung von Unterricht abzuschätzen sind als Bezugsgrößen die Anzahl zu erteilender Unterrichtsstunden sowie die Mittleren Kosten für eine Lehrkraft pro Unterrichtsstunde anzusetzen. Lesen Sie dazu unsere ausführliche Kostenschätzung!

Die Kostenschätzung basiert nur auf Angestellten, es gibt aber noch viele verbeamtete Lehrkräfte.
Die Initiatoren des Volksbegehrens gehen davon aus, dass der Aufbau einer Vertretungsreserve in Höhe von 10% des regulären Fachlehrkräftebedarfs durch die Einstellung zusätzlicher neuer Lehrkräfte erfolgt. Berlin stellt zurzeit neue Lehrkräfte überwiegend im Angestelltenverhältnis ein, daher sind der Kostenschätzung die Kosten für angestellte Lehrkräfte zugrunde gelegt. Würde Berlin zu einer generellen Verbeamtung von Lehrkräften zurückkehren, so würden die Kosten zunächst sinken, da Beamte ein geringeres Bruttoeinkommen erhalten und keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden. Auf der anderen Seite muss das Land Berlin im Rahmen der Beihilfe für die Hälfte der anfallenden Behandlungskosten bei Krankheit und später die Pensionskosten aufkommen.


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